Freundschaften in der Pandemie? Mini-Umfrage mit Jugendlichen der TINCON

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Freundschaften pflegen in der Pandemie? Junge Menschen geben einen Einblick

Jugendliche im Team der TINCON kennen sich aus mit Jugendkultur, digitalen Medien und Vernetzung. Wie haben sie die Möglichkeiten sozialer Teilhabe und den politischen Blick auf ihre Bedürfnisse seit Beginn der Pandemie erlebt? Ergänzend zum Beitrag „Soziale Teilhabe in jugendlichen Peergroups“ von André Weßel ist im Frühjahr 2022 eine Mini-Umfrage mit ihnen entstanden.

1. Wie nutzt du digitale Medien mit deinen Freund*innen und Bekannten? Wie hat sich die Nutzung in der Pandemie verändert?
  • Annika (21): „Digitale Medien nutze ich mit meinen Freund*innen meistens zur Kommunikation und Unterhaltung. Man hat durch Langeweile/den Lockdown oft viel mehr Zeit online verbracht. Das war teilweise ein guter Zeitvertreib, aber konnte auch negative Auswirkungen auf die Psyche haben.“
  • Kaja (18): „Ich nutze digitale Medien meistens zur Unterhaltung und um mit meinen Freund*innen in Kontakt zu bleiben. In der Pandemie hat sich vor allem mein Podcast-Konsum verstärkt, weil ich mehr Zeit alleine verbracht habe.“
  • Darius (21): „Digitale Medien nutze ich hauptsächlich zum Gedankenaustausch mit Freunden oder zur Unterhaltung. Die Pandemie hatte insofern einen Einfluss, dass die Nutzungszeit mehr geworden ist, da direkter Kontakt schwierig war und ich eigentlich den ganzen Tag zuhause war/bin.“
  • Cora (19): „Meine Freund*innen und Bekannten halten mich über Social Media auf dem Laufenden, wenn wir uns nicht regelmäßig sehen oder direkt übers Telefonieren in Kontakt stehen. In der Pandemie hat sich meine Nutzung verändert, weil ich seitdem tatsächlich mehr von meinem privaten Leben teile als vorher. Vor allem bin ich aber auch einfach viel mehr Zeit online als noch vor der Pandemie.“
  • Sina (20): „Meine Freunde und ich nutzen digitale Medien hauptsächlich, um uns dort auszutauschen. Wir schicken uns dort die neuesten Nachrichten z.B. zu unserem Lieblingssport hin und her. Während der Pandemie habe ich digitale Medien definitiv viel mehr genutzt als vorher. Das war oft die einzige Möglichkeit, den Kontakt zu anderen zu halten.“
In einer großen Halle sitzen junge Menschen und hören einem Vortragenden zu.
Um der jungen Generation zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe und öffentlicher Sichtbarkeit zu verhelfen, veranstaltet die Berliner TINCON gGmbH seit 2016 On- und Offlineevents rund um digitale Jugendkultur – von und für Jugendliche.
2. Welche Rolle haben Freund*innen für dich in der Pandemie gespielt, z. B. in Bezug auf deine Gesundheit oder zum Diskutieren von (Social-)Media-Inhalten?
  • Annika (21): „Eine sehr wichtige Rolle im Lockdown spielten meine Freunde - auch wenn wir uns z.B. nicht sehen konnten, konnten wir über Messenger stetig Kontakt halten. Ich habe mich von ihnen oft verstanden gefühlt, da viele dieselben Probleme hatten.“
  • Kaja (18): „Ohne meine Freund*innen hätte mich die Pandemie wahrscheinlich psychisch viel mehr belastet, vor allem während der Lockdowns. Wir haben fast täglich über Discord telefoniert, dadurch sind auch neue und engere Freundschaften entstanden.“
  • Darius (21): „Durch die Pandemie und einen neuen Lebensabschnitt war es mit Freunden echt schwierig. Die, zu denen ich noch Kontakt hatte, waren aber umso wichtiger für mich. Im Kontakt ging es aber meist weniger um Social Media, als mehr darum, füreinander da zu sein und sich gegenseitig immer wieder zu motivieren. Ohne digitale Medien wäre aber der Kontakt in dem Ausmaß gar nicht möglich gewesen.“
  • Anonym: „In der Pandemie sind viele Kontakte verloren gegangen, bei mir vor allem die aus der Schule. Leute, die ich sonst jeden Tag gesehen habe, sind voll von der Bildfläche verschwunden. Da hat mir auch Social Media als Vernetzungsmöglichkeit nichts gebracht. Ich spreche mich mit viel mit Freund*innen ab, bevor oder nachdem ich etwas auf Social Media teile. In der Pandemie war das schwieriger, weil wir diese Gespräche auch wieder online geführt haben. Generell war einfach alles online und ich hatte oft den Bezug zur Realität gar nicht mehr.“
  • Sina (20): „Einige meiner Freunde haben sich in der Pandemie gar nicht mehr gemeldet. Zu anderen ist der Kontakt wiederum noch enger geworden. Dadurch war ich manchmal richtig glücklich, wenn wir gezoomt oder telefoniert haben, aber habe ich auch manchmal echt einsam gefühlt. Es war auch schwierig in der Uni dann neue Freunde zu finden. Auch die digitalen Treffen und Austauschmöglichkeiten waren da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
  • Leyla (19): „Meine Freund*innen haben mir grade in der Pandemie unfassbar viel bedeutet. Wir haben eigentlich täglich telefoniert und das hat mir den Bezug zur Realität gegeben, der mir sonst im Alltag komplett gefehlt hat. Mit ihnen über all das zu reden was grad so in der Welt los war, hat mir geholfen aus meiner Social Media Blase rauszukommen und andere Lebenswirklichkeiten zu sehen.“
3. Nimmst du wahr, dass andere Kinder oder Jugendliche von digitaler Kommunikation ausgeschlossen werden? Falls ja, welche Gründe gibt es dafür?
  • Annika (21): „Ja, ich glaube besonders bei Jüngeren ist das so. Finanzielle Mittel können in Familien da auf jeden Fall eine Rolle spielen.“
  • Kaja (18): „In meiner Schule haben manche für das ganze Homeschooling ihr Handy verwendet, weil sie sich einen Laptop mit ihren Geschwistern geteilt haben, die dort zeitgleich Videokonferenzen hatten.“
  • Darius (21): „Ich denke, dass viele dieses Problem erleben mussten. Der größte Einflussfaktor wird dabei die Technik bzw. die (fehlenden) finanziellen Mittel für entsprechende Technik sein. Gerade in Familien mit mehreren Kindern treten solche Probleme, denke ich, auf.“
  • Anonym: „Auf jeden Fall. Allein schon, weil manche Kinder schon super früh Profile auf Social Media haben, während andere das erst später “dürfen”. Dadurch kann es zur Ausgrenzung kommen, wenn manche Kinder mit sozialen Netzwerken noch gar nichts am Hut haben und in einer Form als “nicht zugehörig” kategorisiert werden.“
Grafik zeigt die Entwicklung des Besitzes eigener Geräte sowie eines Internetzugangs von 2012 bis 2021
Unterschiede in der Ausstattung für das Home Schooling: Zu Beginn der Pandemie 2019 besitzen etwa neun von zehn Jugendlichen ein eigenes Handy oder Smartphone und verfügen über einen Internetzugang/WLAN. Auf einen eigenen Laptop oder Computer können aber nur 65 Prozent der 12- bis 19-Jährigen zugreifen.
4. Auf welche Bedürfnisse, Probleme oder Notlagen junger Menschen wurde deiner Meinung nach seitens der Politik in der Pandemie nicht eingegangen?
  • Annika (21): „Die Situation der Studierenden wurde in der Pandemie gefühlt komplett vernachlässigt. Viele sind z.B. in eine neue Stadt gezogen und kennen dort bis heute niemanden. Während Schulen geöffnet wurden, saßen diese oft immernoch zuhause rum.“
  • Kaja (18): „Es wurde immer nur davon gesprochen, wie wichtig die Schulen für die Kinder sind. Dass Hobbies und AGs uns meistens mehr bedeuten als Unterricht, kam nur selten zur Geltung.“
  • Darius (21): „Eigentlich wurde auf junge Menschen allgemein wenig bis gar keine Rücksicht genommen. Studierende haben teilweise ihre Hochschule oder Uni nahezu nie von innen gesehen, Freizeitbeschäftigungen wie zum Beispiel auch Vereinssport musste ausfallen und die psychische, sowie körperliche Verfassung der meisten Jugendlichen wurde zwar erwähnt, aber nichts zur Besserung getan.“
  • Anonym: „Von uns wurde erwartet, dass wir einfach genauso weitermachen wie vorher. Es gab keine Anpassung daran, dass viele von uns nach zwei Jahren Pandemie auch einfach keine Kraft oder Motivation mehr haben, weil sie den ganzen Tag vor dem Laptop sitzen. So privilegiert es klingen mag, aber alles, was Spaß macht, war unmöglich. Es wurde nur darauf geachtet, dass wir weiterhin Leistung erbringen.“
  • Sina (20): „Da mein Abi und mein Studienbeginn in die Corona-Pandemie gefallen sind, habe ich das Gefühl, dass mir ein wichtiger Teil meines Lebens fehlt, den ich auch nicht so einfach nachholen kann. In dieser Situation habe ich mich null ernst genommen gefühlt. Es hieß nur: ‘Aufs reisen und feiern können die jungen Menschen doch mal verzichten’. Dass es mir aber in diesen Jahren essentiell wichtig war, meine neue Freiheit auszutesten, hat auch in der Politik gefühlt niemand verstanden.“
5. Welche Wünsche/Ideen hast du, wie sich das ab sofort verbessern kann und sollte?
  • Kaja (18): „Ich wünsche mir eine langfristige Planung, dass wir auf steigende Fallzahlen im Herbst und Winter vorbereitet sind.“
  • Darius (21): „Ich hoffe auf eindeutige, einheitliche Regelungen. Es sollte nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen, sondern alle an einem Strang ziehen. Und vor allem sollte ein vernünftiges Konzept entwickelt werden, wie man frühzeitig handeln kann und nicht erst dann, wenn es zu spät ist.“
  • Anonym: „Die Gesundheit junger Menschen, psychisch und physisch, muss in den Fokus rücken. Nicht die Frage danach, wie wir am schnellsten ausgebildet sind, um Teil der Leistungsgesellschaft zu sein, sondern die Frage, wie es uns geht, sollte wichtig sein.“
  • Sina (20): „Ich wünsche mir vor allem, dass es durch Pandemie Verbesserungen im Bildungssystem (Stichwort: Digitalisierung) und im Gesundheitssystem (Bezahlung von Pflegepersonal) gibt und die Politik daraus ja vielleicht etwas für die Zukunft mitnimmt.“
Von Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Die Erstellung des Online-Dossiers erfolgte im Rahmen eines Projekts der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes. Die Koordinierungsstelle Kinderrechte begleitet die Umsetzung der Europaratsstrategie für die Rechte des Kindes und die EU-Kinderrechtsstrategie. Sie wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).